Fußball-Trikot

Stiller Protest

Ich kann nicht „smalltalken“. Von all den unerwünschten Themen und falschen Fragen fühle ich mich überfordert.

Smalltalk sollte ja unbeschwert wirken, ist aber in Wirklichkeit eine verkrampfte Angelegenheit. Für mich jedenfalls. Vermutlich liegt es daran, dass ich mir nur ungern vorschreiben lassen möchte, wie ich „spontan“ zu kommunizieren habe. Irgendetwas in mir wehrt sich dagegen. Es ist also eher stiller Protest als Schüchternheit, wenn ich auf einer Party mal wieder scheinbar interessiert in eine Richtung starre, wo hoffentlich jemand tanzt, laut erzählt oder von mir aus auch singt. Zu allem Überfluss gibt es dann meistens auch noch drei bis fünf Gäste, die sich dermaßen gewandt durch den Raum smalltalken, dass mir schon vom Beobachten ganz schwindelig wird. Es wirkt bei ihnen beinahe wie eine Kunstform, eine interessante Mischung aus Schauspiel, Psychologie und Managerwissen. Weshalb kann ich das nicht? Viel zu schnell werde ich zu persönlich, emotional oder sage meine Meinung. Und schon ist’s um das nette, unverfängliche Gespräch geschehen.

Wenn es also schon Regeln für diese Form erzwungener Kommunikation geben muss, dann doch bitte gleich richtig. Es sollte nur noch ein einziges Thema erlaubt sein: das Wetter. Das aktuelle Klima, die extreme Hitze oder Kälte, der Wahnsinnssommer oder der erste Schnee im Januar, sind Evergreens, zu denen jeder immer etwas sagen kann. Und zwar ohne dabei, quasi im Vorübergehen, zu viel persönliche Information preiszugeben oder den Gesprächspartner zu blamieren.

Meine persönlichen Top-Smalltalk-Flops sind übrigens Job und Fußball. Seit ich überhaupt einen Beruf habe, ist es mir unangenehm, nach ihm gefragt zu werden. Zuerst waren da die ganzen Praktika, gefolgt vom ewigen Hin und Her zwischen arbeitslos, selbständig, selbständig aber auftragslos, das Gleiche wieder von vorne usw. Da komme ich andauernd in Erklärungsnot, wenn die Jobfrage gestellt wird. Weil ich mich schon vor den Schubladen fürchte, in die mich mein Gesprächspartner nach meiner Antwort einsortieren könnte. Denkt der dann, ich kann nichts und habe außerdem sowieso keine Lust? Obwohl es so gängig ist, ich würde dieses Job-Thema wahnsinnig gerne aus dem allgemeinen Smalltalk-Repertoire streichen lassen.

Dann ist da noch der Sport. Eigentlich ist Fußball in den vergangenen Jahren ja schon fast so etwas wie das Wetter geworden, es scheint, als wüsste jeder darüber Bescheid. Leider ging diese Entwicklung aber völlig an mir vorbei. Ich habe noch keine Person getroffen, die sich damit schlechter auskennt als ich.

Nicht nur fürs erste lockere Gespräch, auch beruflich wurde mir das schon beinahe zum Verhängnis. Ich habe einmal bei einer Zeitung gearbeitet und war dort gefürchtet bei den Sportredakteuren, da ich nicht einen einzigen Fußballspieler kannte. Sie mussten schon sehr gute Nerven haben, wenn sie ihre Sport-Layouts trotzdem in meine Hände gaben.

Mittlerweile kenne ich allerdings zwei Spieler, sogar mit Bild! Den einen finde ich toll. Über den zweiten wurde zurzeit wahnsinnig viel berichtet. Aber das reicht ja leider nicht einmal, um ein fünfminütiges Gespräch zu führen. Sollte ich vielleicht vor der nächsten Smalltalk-Gelegenheit vorsorglich Fußball pauken? Alle verfügbaren Spiele anschauen und sämtliche Namen bedeutender Spieler plus Passbild auswendig lernen? Außerdem müsste ich über die Spielregeln Bescheid wissen und zur Sicherheit auch noch die wichtigen Klubs und deren Trainer kennen. Ziemlich viel Aufwand für eine kurze, unverkrampfte Unterhaltung.

Wenn ich mich aber entscheiden müsste zwischen Job und Fußball, würde ich – schon aus sentimentalen Gründen – Fußball als Smalltalk-Thema und Wetter-Alternative wählen. Vorausgesetzt natürlich, alle anderen fiesen Fragen à la „Was machst du beruflich?” fliegen dafür raus. Denn auch fehlendes Faktenwissen kann scheinbar Grundlage für ein nettes Gespräch sein: Einen Sportredakteur konnte meine Fußball-Ignoranz nämlich damals nicht abschrecken. Mit ihm bin ich mittlerweile verheiratet. Eine schöne Geschichte und ich würde jetzt auch wahnsinnig gerne viel mehr davon erzählen. Darf ich aber nicht. Viel zu persönlich für Smalltalk.

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